Interview mit Katherina Rösler und Lennart Burke
Anlässlich der Inclusion World Championship for Sailing in Rostock haben wir uns mit Katherina und Lennart unterhalten, und die zwei Sportler zum Thema Inklusion befragt.
Trotz aller Fortschritte im Bereich der Inklusion: Wie erlebst Du Inklusion im Alltag? Wo siehst Du noch Verbesserungspotential?
Katherina: In meinem derzeitigen Umfeld fühle ich mich gut inkludiert. Für mich als Kleinwüchsige gibt es nicht ganz so viele physische Barrieren, die mich im Alltag behindern. Und wenn doch, gibt es oft hilfsbereite Menschen, die z. B. einen zu hoch angebrachten Klingelknopf für mich drücken.
Aber das lässt sich grundsätzlich leider nicht auf alle Menschen mit Behinderung verallgemeinern. Rollstuhlfahrer haben z. B. oft das Problem, dass Türen zu schmal für ihren Rollstuhl sind. Deshalb finde ich es sehr wichtig, diese Frage möglichst vielen Menschen zu stellen, um urteilen zu können, wie weit wir mit Inklusion in unserem Alltag wirklich sind. In meinen Augen besteht hier durchaus Verbesserungspotential. Denn wenn solche Barrieren bestehen bleiben, kann Inklusion nicht funktionieren bzw. voranschreiten.
Aber Herausforderungen und Barrieren sind nicht nur physischer Natur. Ich stoße immer wieder auf Hürden und Vorurteile in den Köpfen der Menschen. Manchmal muss ich z. B. fremden Personen erst einmal klar machen, dass der Kleinwuchs lediglich meine physische Größe beeinflusst, ich aber sonst ein erwachsener, selbstständiger Mensch bin und selbst einschätzen kann, was ich machen kann und was nicht. Dadurch, dass immer mehr Menschen mit Behinderung auf dieses Problem aufmerksam machen, z. B. über Social Media, hoffe ich, dass auch solche Vorurteile abgebaut werden können.
Insgesamt ermöglicht meine aktuelle Lebenssituation also ein mehr oder minder normaler Teil der Gesellschaft zu sein. Aber eines ist klar, eine Inklusion aller Menschen – egal welcher Herkunft, Aussehen oder mit welcher Behinderung auch immer – ist noch lange nicht erreicht und ein Abbau der Vorurteile mehr als wünschenswert.
Inwiefern oder kann Sport – in Deinen Augen – überhaupt ein Treiber der Inklusion sein?
Katherina: Sport hat meiner Meinung nach ein riesiges Potential, Inklusion positiv zu beeinflussen. U. a. durch seine Vorbildfunktion. Wenn hier Inklusion vorgelebt wird, erleben die Zuschauer, was in diesem Bereich alles möglich ist. Außerdem sind viele Sportarten von Menschen mit und ohne Behinderung ausübbar. Manchmal sind entsprechende Anpassungen notwendig, wie z. B. in meinem Falle die Verkleinerung der Sitzfläche des S\V14 Boote. Aber genau dafür wurden sie ja konzipiert. In meinen Augen ist es durchaus möglich, gemeinsam etwas zu unternehmen und auch zu zeigen, dass ein „Zusammen“ mehr als machbar ist, wenn man wirklich will. Und das einfach nur so zum Spaß im Freizeitbereich und auch im Wettkampf.
Para-Sport vs. Inklusionssport? Du hast in diesem Jahr an der Weltmeisterschaft im Para-Schwimmen teilgenommen und jetzt an der IWC – und kennst somit beide Formate. Auch wenn Segeln nicht zu Deiner primären sportlichen Disziplin zählt, wo siehst Du die Vor-, bzw. die Nachteile der jeweiligen Formate?
Katherina: Als Einzelsportlerin bin ich im Wettkampf auf mich alleine gestellt. Deshalb ist ein direkter Vergleich für mich eher schwierig. Eine Zusammenarbeit während des eigentlichen Wettkampfrennens ist bei uns Schwimmern nicht vorgesehen, außer vielleicht bei einer Staffel. Deshalb war dieses Segelevent in zweierlei Hinsicht eine neue Erfahrung für mich: nämlich als Team und gleichzeitig auch mit einem Athleten ohne Behinderung, an den Start zu gehen. Im Para-Sport treten bei Mannschaftssportarten meistens Teams an, die nur aus Athleten oder Athletinnen mit Behinderung bestehen, wie beim Goalball. Egal ob Olympischer, Paralympischer oder Inklusiver Sport, alle gehen mit Sportgeist und Fair-Play an den Start und liefern herausragende Ergebnisse ab.
Was mir persönlich sehr an dieser inklusiven Form von Wettkampf gefallen hat, ist die direkte Zusammenarbeit und das Gefühl, dass alle Teilnehmer dieselbe Aufmerksamkeit und Anerkennung genießen durften. Anders als beispielsweise bei den Paralympics, die zeitversetzt zu den Olympischen Spielen stattfinden und zumeist weniger mediale Unterstützung erhalten.
Bei den Paralympics wird hauptsächlich gezeigt, was Athleten und Athletinnen mit Behinderung sportlich erreichen können, was in meinen Augen ein sehr großes Statement ist. Beim Inklusionssport steht im Mittelpunkt, was in Zusammenarbeit alles möglich ist. Beide Aspekte finde ich persönlich sehr wichtig.
Ist das Format (geteiltes Segeln) ein Modell für weitere Bereiche?
Katherina: Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Format auch auf andere Sportarten übertragbar ist. Dafür sind meines Erachtens jedoch eher Teamsportarten geeignet. Vielleicht bzw. hoffentlich wird sich da in der Zukunft noch etwas ergeben.
Was war der Hauptgrund für Eure Teilnahme an der IWC?
Katherina: Da ich eigentlich aus einer anderen Sportart, dem Para Schwimmen komme, wusste ich anfangs nicht so recht, was auf mich zukommt. Ich war aber sehr glücklich, bei so einem Event, das ein großes Statement für die Inklusion darstellen würde, teilnehmen zu dürfen. Es klang nach sehr viel Spaß. Natürlich wurde auch mein Sportsgeist geweckt, und ich war höchst gespannt auf diese neue Erfahrung.
Lennart: Meine größte Motivation für die Teilnahme war, ein Zeichen zu setzen und auf das Thema „Inklusion“ aufmerksam zu machen – im Sportbereich, aber auch ganz allgemein gesehen. Wir vergessen immer wieder die Kraft und Power, die ein „Wir“ mit sich bringt, dass Grenzen meist nur in unseren Köpfen existieren und dass wir gemeinsam unglaublich stark sein können.
Habt Ihr das in Euren Augen auch erreichen bzw. umsetzen können?
Katherina: Also Spaß hatte ich allemal! Die Zusammenarbeit mit Lennart war mir eine Ehre und riesige Freude. Ich habe etwas über das Segeln gelernt und eine neue Art von Wettkampf ausprobieren dürfen. Und ich glaube, dass wir damit durchaus auch ein größeres Interesse und eine höhere Aufmerksamkeit für das Thema Inklusion wecken konnten.
Lennart: Ja, ich finde schon. Klar, es ist (nur) einer von vielen notwendigen Schritten. Aber ich bin stolz darauf, ein Teil dieser einzigartigen Gemeinschaft gewesen zu sein. Und wenn unsere Terminkalender es erlauben, wird das Team „Think big – Think social“ mit Katharina und mir beim nächsten Mal sehr gerne wieder an den Start gehen.
Was konntest Du für Dich persönlich aus dieser Zeit mitnehmen?
Lennart: Die Bestätigung für mein Motto „Aufgeben gibt’s nicht“. Diese Lebenslust und Energie erleben zu dürfen – trotz Handicap –, war für mich wahnsinnig bereichernd und total motivierend. Hier ging es nie um eine Behinderung, sondern darum, Hindernisse gemeinsam zu überwinden. Dieser Zusammenhalt und das Miteinander haben eine ganz besondere und positive (Aufbruch-)Stimmung in diese Veranstaltung gebracht, die für mich beispiellos ist.
Was macht die Boote der S\V14 Klasse so besonders in Deinen Augen? Wie hast Du das Segeln damit erlebt?
Lennart: Erstaunlich, wie leicht die Boote zu bedienen sind. Damit ermöglichen sie es fast jedem, raus auf’s Wasser zu kommen. Das fand ich besonders beeindruckend. Auch wenn es sich für mich als Offshore-Segler, erst einmal richtig ungewohnt angefühlt hat. Aber für diesen Perspektivwechsel und die Möglichkeit Neues zu lernen, bin ich sehr dankbar. Ich hoffe, dass diese Veranstaltung dazu beigetragen hat, Menschen zu animieren, mal neue Wege zu gehen.